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Kein Baum soll fürs Steak fallen

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Ein Rind in Brasilien: War da mal Wald?
Ein Rind in Brasilien: War da mal Wald? © IMAGO/Panthermedia

Das europäische Gesetz über entwaldungsfreie Lieferketten soll eigentlich bald in Kraft treten. Doch es gibt Widerstand und Warnungen vor zu viel Bürokratie.

Jede Minuten wird auf der Erde eine Fläche von elf Fußballfeldern abgeholzt, unter anderem für neue Kaffee- und Sojaplantagen. Das ist nicht nur schlecht fürs Klima, sondern auch unnötig, da bestehende Flächen besser genutzt werden könnten. Letztes Jahr im Sommer hat die EU daher beschlossen, dass für zahlreiche Produkte keine Bäume mehr gefällt werden dürfen. Das Gesetz gilt unter anderem für Palmöl, Rindfleisch, Soja, Kaffee und Kakao und soll eigentlich 2024 in Kraft treten. Dann müssen Unternehmen nachweisen, dass ihre Produkte „entwaldungsfrei“ sind und die Herkunft dokumentieren. Wer Bäume für Brennholz fällt, muss dies ebenfalls melden. Doch der Widerstand ist enorm. Bauernverbände sprechen von „Totalüberwachung“ und einem „Bürokratiemonster“.

„Das Gesetz aus dem letzten Jahr, welches eigentlich der Abholzung des Regenwaldes Einhalt gebieten sollte, bereitet allen Landwirten und Waldbesitzern Kopfzerbrechen“, sagt der EU-Abgeordnete Jan-Christoph Oetjen (FDP) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es komme eine unnötige Bürokratiewelle auf die Menschen zu und deutsche Wälder seien doch gar nicht gefährdet oder würden für Ackerflächen abgeholzt. Kaffeeverbände haben vor Preissteigerungen gewarnt, Waldbesitzer vor zu viel Bürokratie. Oetjen fordert die EU-Kommission daher auf, die Umsetzung der EU-Verordnung zu verzögern, damit Zeit für Gesetzesänderungen bleibt. Unterstützung erhält er von der größten Parlamentsfraktion, der EVP. Das Ziel, die Entwaldung weltweit zu stoppen, sei unbestritten, räumt der umweltpolitische Sprecher der EVP, Peter Liese (CDU), ein. „Wir sollten aber mehr Rücksicht auf Kleinbauern in den Entwicklungsländern und auf kleine Waldbesitzer in der Europäischen Union nehmen.“ Er will die Einführung um zwei Jahre verschieben. Doch die EU-Kommission hatte zuletzt betont, dass sich am Zeitplan nichts geändert habe.

Bei den Grünen sorgt die Kritik für Unverständnis. Konservative und Liberale hätten doch für das Gesetz gestimmt, sagt Anna Cavazzini dem RND. „Auch die Forderungen nach Ausnahmen für EU-Länder sind leider nicht realistisch, weil das Gesetz dann nicht WTO-kompatibel wäre“, so die Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz. „Dieses Hin und Her bei den Gesetzen schadet mehr und erzeugt Unsicherheit in der Wirtschaft.“ Die Deutsche Umwelthilfe, der WWF und andere Umweltverbände weisen darauf hin, dass die Kritik oftmals übertrieben und unsachlich sei. Forst- und Landwirtschaftsbetriebe wüssten beispielsweise, ob für die Produktion Wald in Landwirtschaftsflächen umgewandelt wurde.

Nach Angaben der EU-Kommission ist der Konsum der EU-Bevölkerung für etwa zehn Prozent der globalen Entwaldung verantwortlich. Zwischen 1990 und 2020 sind weltweit 420 Millionen Hektar Wald verlorengegangen, eine Fläche, die größer ist als die Europäische Union. Kein EU-Staat importiert laut der Umweltschutzorganisation WWF so viele Produkte, für die Wälder abgeholzt wurden, wie Deutschland. Mit Soja aus Südamerika werden deutsche Schweine gefüttert, Kaffeebohnen von Plantagen aus Lateinamerika importiert.

Unternehmen müssen mit geografischen Daten belegen, dass dafür seit 2021 keine Bäume gefällt wurden, etwa mit Aufnahmen von Google Maps. In den meisten Fällen wurden diese Daten in der Vergangenheit bereits erhoben und liegen vor, beispielsweise um EU-Subventionen zu erhalten.

Vor allem Kleinbauern und -bäuerinnen in den Tropen und anderen Regionen außerhalb der EU stehen vor einer großen Herausforderung, sagt Fanny Gauttier von der Rainforest Alliance. „Wir rufen deshalb die Unternehmen dazu auf, in ihre Lieferketten zu investieren, um die nötige Unterstützung der Kleinbauern sicherzustellen“, sagt sie. Die Europäische Union müsse zudem umgehend technische und finanzielle Unterstützung an kleine Erzeuger:innen leisten. Eine Verschiebung des EU-Gesetzes will die Rainforest Alliance aber nicht. Stattdessen sei mehr Hilfe nötig, damit Unternehmen rechtzeitig die Anforderungen erfüllen könnten.

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